Von Projekt 100% Mensch*


Unsere Kultur wird von drei (Fehl-) Annahmen geprägt:

  1. Es sei wissenschaftlich möglich, das Geschlecht jedes Menschen auf der Basis von körperlichen Untersuchungen zu bestimmen.
  2. Es läge im Interesse jedes Menschen, einem der beiden binären Geschlechter „Frau“ oder „Mann“ anzugehören.
  3. Es würden nur zwei Geschlechter („Frau“ und „Mann“) existieren.

Das Geschlecht sitzt nicht zwischen den Beinen.
Das Geschlecht sitzt zwischen den Ohren:


Geschlecht

Vorwort
Sind Sie ein Mann? Sind Sie eine Frau? Sind Sie irgendwie dazwischen? Oder vielleicht jemand ganz anderes?
Das Thema “Geschlecht” ist vielleicht das fundamentalste und persönlichste Thema eines Menschen. Nichts definiert den Menschen so unabänderlich wie sein Geschlecht. Diese Informationsseite versucht einige Grundbegriffe zu erklären, um Missverständnisse und Vorurteile aufzuklären und die daraus resultierenden Diskriminierungen, Ängste, die Ablehnung und das Unverständnis zu verringern. Die auf dieser Seite beschriebenen Phänomene bilden Prototypen ab, die die Komplexität nur bedingt darstellen können, da jeder Mensch sein eigenes Geschlecht selbst erklärt und es somit höchst individuell ist. Die einzelnen Phänomene mischen sich, variieren, widersprechen sich und bilden so einen wunderschönen, vielfältigen Geschlechterregenbogen.

Geschlecht
Herzlichen Glückwunsch – es ist ein Mädchen!”
Ist es so einfach? Ein Blick zwischen die Beine und das Geschlecht steht fest? Nein. Das Geschlecht ist weit mehr als das Genital: Chromosomen, Hormone, Körpermerkmale, die Form und Funktion der inneren und äußeren Genitalien, soziale, psychologische und neurophysiologische Aspekte. Das Geschlecht ist ein komplexes Gebilde, das sich aus vielen Faktoren zusammensetzt. Das Genital und andere Körpermerkmale sind nur Hinweise auf das Geschlecht.
Ob sich ein Mensch selbst als Frau, als Mann, als Person im Kontinuum zwischen diesen beiden Polen oder auch vollkommen außerhalb dieser binären Kategorien erklärt, entscheiden nicht seine Genitalien. Einzig sein Denken, Fühlen und Handeln, seine Interaktion mit anderen und seine Selbstwahrnehmung in seiner Umwelt. Dieses instinktive Wissen um sein eigenes Geschlecht, das sogenannte Geschlechtsbewusstsein ist keine Entscheidung. Es lässt sich nicht ändern. Es ist, wie es ist: Das Geschlecht sitzt nicht zwischen den Beinen. Es sitzt zwischen den Ohren!
“Geschlecht” ist kein Phänomen, welches mit den Worten “normal” oder “unnormal” beschrieben werden kann.
“Geschlecht” lässt sich einzig beschreiben mit Worten wie “häufig”, “oft” oder “selten”.


Begriffe

*sexus
Die Begriffe „Trans-/Intersexualität“ und „Trans-/Intergeschlechtlichkeit“ werden kontrovers diskutiert. Durch die Verwendung des Begriffs der „Sexualität“ entsteht regelmäßig der Eindruck, es ginge bei diesem Thema um die gelebte Sexualität, also die sexuelle Orientierung. Aus diesem Grund wird der Begriff von vielen abgelehnt.
Der alternative Begriff „Trans-/Intergeschlechtlichkeit“ wiederum wird von vielen abgelehnt, da er den Eindruck vermittelt, der betreffende Mensch würde sein Geschlecht wechseln wollen („trans“). Die Kritiker*innen dieses Begriffs befürchten durch seine Verwendung eine Zementierung von Klischées, Vorurteilen und Unwahrheiten. Dieselbe Problematik erzeugt der Begriff „Transindentität“, der einen Identitätswechsel suggeriert.
Aus diesem Grund hat das Projekt 100% MENSCH den Begriff des Transsexus bzw. Intersexus entworfen. Durch die Verwendung von „sexus“ (lat. Körper in seiner geschlechtlichen Ausprägung) statt „Sexualität“ wird der Focus stärker auf den Körper gerichtet und die Nähe zur sexuellen Orientierung zumindest gedämpft.
Die Bezeichnung „Mensch mit Transsexus“, also „Mensch mit vom Geschlechtsbewusstsein abweichenden Körpermerkmalen“, hat sich in den bisherigen Erfahrungen als nützlich und gut verständlich erwiesen.

Geschlechtsbewusstsein

Das Wissen um das eigene Geschlecht. Dieses ist unabhängig von den ausgebildeten körperlichen Merkmalen.

Körperdysphorie

Leidensdruck, der durch den Widerspruch von körperlichen Merkmalen und Geschlechtsbewusstsein ausgelöst wird.

Geschlechtsidentität

Das individuelle Zugehörigkeitsgefühl zu einer (nicht unbedingt gesellschaftlich normierten) Geschlechterrolle. Das Zugehörigkeitsgefühl ist ebenfalls unabhängig von den ausgebildeten körperlichen Merkmalen.

Genderdisphorie

Leidensdruck, der durch den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Geschlechtsrollenerwartung und Geschlechtsbewusstsein entsteht.

Trans* / Transsexus / Transgender

International werden “Transsexus” und “Transgender” unter dem Begriff “transgender” bzw. “trans*” gefasst. Wir halten es jedoch für unbedingt notwendig, beide Phänomene gleichberechtigt zu beschreiben, da sich die Blickwinkel und Bedürfnisse der jeweiligen Phänomene stark unterscheiden. Beide Phänomene wirken gleichzeitig auf einen Menschen ein. Die Frage, ob sich ein Mensch eher über die körperliche Ebene (“Mensch mit Transsexus”) oder die gesellschaftliche Ebene (“Transgender”) erklärt, kann ausschließlich der Mensch selbst beantworten. Beide Aspekte wirken gleichzeitig auf den Menschen ein.
„trans“ (lat. auf der andere Seite, hinüber) bedeutet, dass das nach der Geburt aufgrund der Betrachtung der eindeutigen Genitalien zugewiesene Geschlecht und das tatsächliche Geschlecht auf „zwei verschiedenen Seiten“ liegen.
Die Erkenntnis Transsexus oder Transgender zu sein kann sich schon im frühen Kindesalter manifestieren oder Ergebnis eines langen Prozesses bis ins hohe Erwachsenenalter sein.

Transmensch / Transfrau / Transmann

Es gibt einen Unterschied zwischen einem brüllenden Affen und einem Brüllaffen, einem braunen Bären und einem Braunbären. Das Eine beschreibt eine Eigenschaft, das Andere schafft eine neue Art. Menschen mit einer geschlechtlichen Thematik sind Menschen und keine Unterart des Menschen wie zum Beispiel der ausgestorbene Denisova-Mensch. Daher lehnt das Projekt 100% MENSCH die Bezeichnung „Transmensch“ ab und verwendet stattdessen die Begriffe „Mensch mit Transsexus“, „Mensch mit transsexus/transgender Hintergrund“ oder „Mensch mit geschlechtlicher Thematik“. Analog gilt dies für Menschen mit Intersexus.

misgendern

Wir stecken Menschen gerne in Schubladen. Wenn wir ein kleines Kind mit langen Haaren sehen, einen Kinderwagen mit einer blauen Decke, breite Hüften, einen Bartschatten, eine hohe Stimme am Telefon – unsere Erfahrung und die gesellschaftlichen Normen führen dazu, dass wir mit unserer Wahrnehmung sofort ein bestimmtes Geschlecht (und zwar fast ausschließlich “Frau” bzw. “Mann”) verbinden. Diese Normierungen ändern sich durch Kultur und Epoche – rosa war beispielsweise lange Zeit die Farbe der kleinen Jungs, während Mädchen in ein zartes marienblau gehüllt wurden.
Wir alle besitzen sowohl als „männlich“ interpretierte als auch „weiblich“ interpretierte Eigenschaften. Diese Eigenschaften sind allerdings nur von außen zugesprochene Eigenschaften und sagen nichts über unser wahres Geschlecht aus. Wenn wir Menschen im alltäglichen Leben absichtlich oder unabsichtlich dem “falschen” Geschlecht zuordnen, kommt es zum sogenannten misgendern. Diese Geschlechts-Falschzuweisungen (z.B. durch die konsequente Verwendung des falschen Personalpronomens) sind aggressive Handlungen und können auf Dauer zu erheblichen seelischen Verletzungen führen.

Das misgendern betrifft uns alle: “Klassische” Männer, denen “weiblich” zugeschriebene Eigenschaften als „Schwäche” unterstellt werden, oder “klassischen” Frauen, denen ihre “Weiblichkeit” abgesprochen wird, wenn sie “männliche” Körpermerkmale wie zum Beispiel verstärkte Körperbehaarung (Hirsutismus) besitzen oder Menschen, die sich keinem der beiden binären Geschlechter zugehörig fühlen und von denen eine „Eindeutigkeit“ verlangt wird, die ihrem Selbst komplett widerspricht.

cis-passing

Unter „cis-passing“ (engl. to pass: durchgehen) versteht man das Erreichen eines Zustandes, in dem Geschlechtsrollenverhalten und Körperlichkeit eines Menschen mit Transsexus ein „nicht mehr als Mensch mit Transsexus erkannt werden“ ermöglicht.
Für die meisten Menschen mit einem binären Transsexus erlaubt dieses Unerkannt-bleiben ein Leben in ihrem authentischen Ich. Für Frauen mit einem binären Transsexus ist das “unsichtbar werden” allerdings oft sehr schwierig. Für nicht-binäre Menschen mit einem Transsexus ist es noch komplizierter, da ihre Körpermerkmale nicht dem klassischen Bild von „Mann“ oder „Frau“ entsprechen und so das (im positiven Sinne) “übersehen werden” häufig nicht funktioniert.
Die Entscheidung ein cis-passing anzustreben ist eine sehr persönliche Entscheidung und darf weder eingefordert noch in Frage gestellt werden.
Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen des Konzepts „cis-passing“ sind Gegenstand zahlreicher Diskussionen.

Sex (lat. sexus)

bezeichnet einzig die genitale Ausprägung eines Körpers im Sinne der Fortpflanzung und hat NICHTS mit der sexuellen Orientierung zu tun. Unabhängig vom Geschlecht sind cis-, trans-, intersexus und transgender Menschen natürlich auch hetero-, homo-, bi-, pan-, poly- oder asexuell!

Gender

bezeichnet das durch die Gesellschaft und Kultur geprägte Rollenbild in „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ und somit eine Fremd- und Selbsterwartung. Gleichzeitig kommt es durch diese Kategoriesierung in soziale Geschlechter zu einer Wertzuweisung. Diese Wertzuweisung aufzubrechen und somit eine Gleichstellung aller sozialen Geschlechter zu erreichen, wird als „gender mainstreaming“ bezeichnet.
In vielen Kulturen existieren neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht noch weitere anerkannte soziale Geschlechter, die sich zwischen den beiden Polen „männlich“ und „weiblich“ oder auch außerhalb dieses Kontinuums befinden. Daneben gibt es noch weitere Gender die sich beispielsweise als Ausdruck einer sozialen Schicht manifestieren. Hier ist das sogenannte „Adelsgeschlecht“ exemplarisch.

Unisex

(lat. unus für „eins“ und sexus für „genitale Ausprägung“) sind Produkte und Angbote, die von allen Geschlechtern gleichermaßen genutzt werden, wie Unisex-Tarife, Unisex-Toiletten, Unisex-Parfum, Unisex-Kleidung etc.

 


Transsexus

Wir alle haben ein intuitives Wissen darüber, wie unser Körper aussehen sollte, wie er gewissermaßen „richtig” ist. Damit ist nicht gemeint, was unsere Wunschvorstellung bezüglich unseres Gewichtes, der Knackigkeit unsere Gesäßes oder der Körbchengröße darstellt. Nein, es ist viel grundsätzlicher: Wir wissen, dass wir ein Mann sind – und unser intuitives Wissen erwartet einen Penis. Wir wissen, dass wir eine Frau sind – und unser Bewusstsein erwartet eine Vagina und Brüste. Wir wissen, dass wir weder Mann noch Frau sind – und unser Bewusstsein erwartet einen Körper, der dem eigenen unumstößlichen Bild von „so bin ich richtig” entspricht.
Manchmal kommt es vor, dass die eigenen Körpermerkmale diesem Geschlechts(körper)bewusstsein nicht entsprechen. Salopp formuliert könnte man sagen: Es kommt vor, dass Frauen geboren werden, die einen Penis haben. Oder es werden Männer geboren, die eine Vagina besitzen. Oder es werden nicht-binäre Menschen geboren, die genau wissen: Meine Vagina gehört zu mir, aber Brüste dürfte ich nicht haben, so bin ich nicht „richtig”. Diese Menschen haben einen Transsexus – Körpermerkmale und Geschlechtsbewusstsein sind „nicht auf der selben Seite” (lat. trans). Dieser Widerspruch zwischen Körpermerkmalen und Geschlechtsbewusstsein führt oft zu einem hohen seelischen Leidensdruck (Körperdysphorie). Warum sich Körpermerkmale und Geschlechtsbewusstsein in verschiedene Richtungen entwickeln, ist noch nicht vollständig geklärt.

Wenn das Geschlechtsbewusstsein dem einer Frau oder dem eines Mannes entspricht, so nennt man dies einen binären Transsexus (Transsexualität/Transgeschlechtlichkeit, engl. binary transgender). Entspricht das Geschlechtsbewusstsein weder dem eines Mannes noch dem einer Frau, sondern einer Mischung aus beiden oder auch etwas jenseits des „klassischen” Zwei-Geschlechter-Systems, so spricht man von einem nicht-binären Transsexus (Nicht-Binäre, engl. non-binary transgender).

Da alle Menschen das Bestreben haben, ganz sie selbst zu sein, sich stimmig mitzuteilen, mit sich selbst im Einklang zu leben und als die Person wahrgenommen zu werden, die sie sind, steht für Menschen mit einem Transsexus die Auflösung des Widerspruchs zwischen Geschlechtsbewusstsein und Körpermerkmalen im Vordergrund. Dies geschieht durch die Änderung des Namens und des Geschlechtseintrags in Geburtsurkunde, Ausweispapieren, Zeugnissen usw., die Entfaltung im jeweiligen gesellschaftlichen Rollenbild bis hin zu Hormoneinnahmen und körperangleichenden Operationen. Der Umfang der Maßnahmen ist individuell. Nicht alle Menschen mit einem Transsexus führen alle Angleichungsmaßnahmen durch.

Die Begriffe Transsexus, transgeschlechtlich, transident, transsexuell, Transmann, Transfrau, Transperson und Transmensch werden gleichberechtigt genutzt.


Transgender

Wir alle haben ein intuitives Wissen darüber, wie unser Körper aussehen sollte, wie er gewissermaßen „richtig” ist. Damit ist nicht gemeint, was unsere Wunschvorstellung bezüglich unseres Gewichtes, der Knackigkeit unsere Gesäßes oder der Körbchengröße darstellt. Nein, es ist viel grundsätzlicher: Wir wissen, dass wir ein Mann sind – und unser intuitives Wissen erwartet einen Penis. Wir wissen, dass wir eine Frau sind – und unser Bewusstsein erwartet eine Vagina und Brüste. Wir wissen, dass wir weder Mann noch Frau sind – und unser Bewusstsein erwartet einen Körper, der dem eigenen unumstößlichen Bild von „so bin ich richtig” entspricht.
Manchmal kommt es vor, dass die eigenen Körpermerkmale diesem Geschlechts(körper)bewusstsein nicht entsprechen. Salopp formuliert könnte man sagen: Es kommt vor, dass Frauen geboren werden, die einen Penis haben. Oder es werden Männer geboren, die eine Vagina besitzen. Oder es werden nicht-binäre Menschen geboren, die genau wissen: Meine Vagina gehört zu mir, aber Brüste dürfte ich nicht haben, so bin ich nicht „richtig”. Diese Menschen haben einen Transsexus – Körpermerkmale und Geschlechtsbewusstsein sind „nicht auf der selben Seite” (lat. trans). Dieser Widerspruch zwischen Körpermerkmalen und Geschlechtsbewusstsein führt oft zu einem hohen seelischen Leidensdruck (Körperdysphorie). Warum sich Körpermerkmale und Geschlechtsbewusstsein in verschiedene Richtungen entwickeln, ist noch nicht vollständig geklärt.

Wenn das Geschlechtsbewusstsein dem einer Frau oder dem eines Mannes entspricht, so nennt man dies einen binären Transsexus (Transsexualität/Transgeschlechtlichkeit, engl. binary transgender). Entspricht das Geschlechtsbewusstsein weder dem eines Mannes noch dem einer Frau, sondern einer Mischung aus beiden oder auch etwas jenseits des „klassischen” Zwei-Geschlechter-Systems, so spricht man von einem nicht-binären Transsexus (Nicht-Binäre, engl. non-binary transgender).

Da alle Menschen das Bestreben haben, ganz sie selbst zu sein, sich stimmig mitzuteilen, mit sich selbst im Einklang zu leben und als die Person wahrgenommen zu werden, die sie sind, steht für Menschen mit einem Transsexus die Auflösung des Widerspruchs zwischen Geschlechtsbewusstsein und Körpermerkmalen im Vordergrund. Dies geschieht durch die Änderung des Namens und des Geschlechtseintrags in Geburtsurkunde, Ausweispapieren, Zeugnissen usw., die Entfaltung im jeweiligen gesellschaftlichen Rollenbild bis hin zu Hormoneinnahmen und körperangleichenden Operationen. Der Umfang der Maßnahmen ist individuell. Nicht alle Menschen mit einem Transsexus führen alle Angleichungsmaßnahmen durch.

Die Begriffe Transsexus, transgeschlechtlich, transident, transsexuell, Transmann, Transfrau, Transperson und Transmensch werden gleichberechtigt genutzt.

 


Intersexus

Manchmal entsprechen die Körpermerkmale (insbesondere die inneren und äußeren Genitalien) eines Menschen nicht den medizinisch-gesellschaftlichen Normen von „weiblich“ oder „männlich“. Wenn sie genetisch, hormonell und/oder anatomisch mehrdeutig sind, so spricht man von Menschen mit einem Intersexus (lat. inter „zwischen” / lat. sexus „Körper”) bzw. Intersexualität / Intergeschlechtlichkeit.

Neben den schon bei Geburt erkennbaren Fällen gibt es viele Merkmale eines Intersexus, die sich erst während der Pubertät manifestieren können. Heute wird davon ausgegangen, dass ca. 2% der Menschen intergeschlechtlich bzw. intersexuell sind.

Menschen mit einem Intersexus sind nicht per se krank oder behandlungsbedürftig. Dennoch werden viele von ihnen auch heute noch als krank bezeichnet und ohne umfassende Aufklärung medikamentös, hormonell und/oder chirurgisch behandelt. Häufig geschehen diese schwerwiegenden und irreversiblen Eingriffe ohne eine persönliche, freie und voll informierte Einwilligung.

Besonders verheerend ist eine chirurgische Zwangsangleichung an ein (meist weibliches) Idealbild von Kleinstkindern. Eine solche genitalzuweisende Operation bedeutet die vollständige Sterilisation sowie unter Umständen eine Zuweisung des falschen Genitals! Dieses Vorgehen ist eine klare und grobe Verletzung der Menschenrechte!

Dennoch werden viele Eltern nach der Geburt eines Kindes mit Intersexus gedrängt, einer solchen genitalzuweisenden Operation zuzustimmen.

Ein Teil der Menschen mit Intersexus kämpft heute dafür, als drittes Geschlecht Anerkennung zu finden. Andere wiederum finden sich in einem der beiden „klassischen” Geschlechter – männlich oder weiblich – wieder.

Die Begriffe Intersexus, Inter*, Intergeschlechtlichkeit und Intersexualität werden gleichberechtigt genutzt.


Nicht-Binäre / non-binaries

Die christlichen Kulturen teilen die Menschen in zwei Geschlechter ein: Frauen/Mädchen und Männer/Jungen. Andere Kulturen hingegen wie z.B. Thailand, Bolivien, die nordamerikanischen Ureinwohnern, aber auch die jüdischen Schriften kennen bis zu zehn verschiedene Geschlechter.

Menschen, die sich dem hier überwiegenden Zweiersystem nicht zugehörig fühlen, sondern ihr Geschlecht außerhalb dieses Systems empfinden oder auch mehreren Geschlechtern gleichzeitig angehören, werden als Nicht-Binäre bzw. non-binarys bezeichnet. Ähnlich wie transsexuelle Menschen leiden auch nicht-binären Personen häufig unter dem Widerspruch zwischen Körpermerkmalen und Geschlecht (Körperdysphorie) bzw. erwarteter sozialer Rolle und Geschlecht (Genderdysphorie). Die Gruppe der Nicht-Binären vereinigt sehr unterschiedliche Phänomene:

agender: Menschen, die ihre Identität nicht in Zusammenhang mit einem Geschlecht empfinden und sich als „geschlechtsneutral“ bezeichnen.
neutrois: Ähnlich wie agender, allerdings Deutung als eigenständiges Geschlecht und somit nicht „geschlechtsneutral“.
androgyn/mixed-gender: Mischung aus „männlich“ und „weiblich“ in unterschiedlichen Anteilen.
genderfluid: Wechselnde Geschlechtsidentität in Abhängigkeit von Umfeld, Gegenüber oder auch ohne äußeren Impuls. Dabei „Fluss“ zwischen zum Beispiel männlich/weiblich, zwischen männlich/neutrois oder weiblich/androgyn und vielen weiteren Varianten.

Neben den hier gelisteten Kurzbeschreibungen existieren noch viele weitere non-binäre Personengruppen, wie z.B. bigender, genderqueer, demi-boys und demi-girls.


Cissexus

Cis-sexuelle/cis-geschlechtliche Menschen erfüllen folgende Kriterien:

1. Das nach der Geburt aufgrund der Betrachtung der äußeren Genitalien zugewiesene Geschlecht ist identisch mit den genetischen, hormonellen und anatomischen Merkmalen.

2. Die körperlichen Merkmale entsprechen dem eigenen Geschlechtsbewusstsein. Heißt: Mein Körper passt zu mir.
Beispiel: „Ich habe einen Penis und das ist richtig so.”

3. Das zugewiesene Geschlecht entspricht dem Selbsterleben in der Gesellschaft (Geschlechtsidentität).
Heißt: Ich erkenne mich in dem mir zugewiesenen Geschlecht wieder
Beispiel: „Andere bezeichnen mich als Frau und das ist richtig so.”

4. Die meisten Menschen erkennen mein Geschlecht an meinem Geschlechtsausdruck (Kleidung, Stimme, Frisur, Bewegung etc.).
Heißt: Andere nehmen mich als „rollenkonform” wahr.
Beispiel: „Ich werde nicht auf Grund meiner Stimme mit einem anderen Geschlecht verwechselt.“

Der größte Teil der Bevölkerung gehört zur Gruppe der cis-geschlechtlichen Menschen.

cis (lat./chemisch: auf einer Ebene, diesseitig)

“Cis” (lat. auf dieser Seite) bedeutet, dass das zugewiesene Geschlecht und das tatsächliche Geschlecht (Geschlechtsbewusstsein) “auf der selben Seite” liegen und ist somit das Gegenteil von “trans”.
Die Begriffe cis-Geschlechtlichkeit und cis-Sexualität werden gleichberechtigt (und sehr selten) genutzt.

 


Schlusswort

Da das Thema “Geschlecht” auf ganz verschiedenen Ebenen stattfindet, sind auch die Erklärungen, Sichtweisen und Bezeichnungen sehr unterschiedlich, je nachdem welche Ebene für den einzelnen Menschen im Fokus steht. Es gibt sowohl eher somatische/körperliche, als auch eher psychologisch und soziale Erklärungsangebote. Aber egal wie unterschiedlich die Blickwinkel und Bezeichnungen sind – alle haben grundlegende Aussagen gemeinsam:

  1. Die Selbsterklärung des eigenen Geschlechts ist ein Menschenrecht!
  2. Die Selbsterklärung des eigenen Geschlechts kann ausschließlich durch den Menschen selbst erfolgen und ist unabhängig von Körper, Ausdruck oder medizinischen Eingriffen.
  3. Die Selbsterklärung des eigenen Geschlechts ist zu akzeptieren und ist unabhängig von der Wahrnehmung durch andere, der Rechtsprechung und medizinischer Diagnostik!
  4. Jeder Mensch entscheidet selbst, ob er zur Linderung seines Leidensdrucks körperliche Angleichungen in welchem Umfang und welcher Art auch immer vornehmen lassen will und muss dazu ungehinderten Zugang erhalten.
  5. Die Ansprache einer Person mit falschen Geschlechtspronomen (misgender) sowie die ungefragte Zuweisung eines Geschlechts führt zu Verletzungen und muss unterbleiben.
  6. Die Änderung des Geschlechtseintrags sowie eine amtliche Namensänderungen muss ohne (Selbst-)Pathologisierung des Menschen ermöglicht werden.
  7. Nicht nur angesichts der Tatsache, dass die binären Geschlechter “Frau” und “Mann” höchst unterschiedliche körperliche, psychologische und soziale Ausprägungen haben ist es absurd, von Menschen mit geschlechtlicher Thematik zu erwarten, sich soweit an ein vermeintliches “Idealbild” anzugleichen, bis sie “nicht mehr auffallen”. Viel mehr ist es Aufgabe der Gesellschaft, die existierende Vielfalt von Geschlecht zu akzeptieren, als Bereicherung zu verstehen und die Freiheits- und Menschenrechte jedes Individuums zu respektieren.

 

 


eine Bitte…

… Menschen mit Transsexus „wären nicht lieber“ eine Frau, ein Mann oder Nicht-Binär. Sie SIND es. Von Geburt an.

… ein Satz wie „Claudia, die früher mal Stefan war“ ist äußerst verletzend. Claudia war schon immer Claudia – sie wurde nur Stefan genannt, weil man ihr wahres Geschlecht nicht erkannt bzw. akzeptiert hat.

… wenn sich Ihr Kind nicht so „rollentypisch“ verhält, wie Sie es erwarten – entspannen Sie sich. Hören sie ihm zu! Nehmen Sie Ihr Kind ernst. Das Geschlecht kann man nicht anerziehen. Sie haben nichts falsch gemacht! Falsch wäre es nur, nicht für Ihr Kind dazusein.

… Menschen mit Transsexus „wären nicht lieber“ eine Frau bzw. ein Mann. Sie SIND es. Von Geburt an.

… ein Satz wie „Claudia, die früher mal Stefan war“ ist äußerst verletzend. Claudia war schon immer Claudia – sie wurde nur Stefan genannt, weil man ihr wahres Ich nicht erkannt bzw. akzeptiert hat.

… wenn sich Ihr Kind nicht so rollentypisch verhält, wie Sie es erwarten – fragen Sie Ihr Kind und bitte glauben Sie ihm! Das Geschlecht kann man nicht anerziehen. Sie haben nichts falsch gemacht! Falsch wäre es nur, nicht für Ihr Kind da zu sein.

… wenn Sie Zweifel haben, wie Sie eine Person ansprechen sollen – fragen Sie sie offen und freundlich (“Wie darf ich Sie ansprechen?“). Sie wird es Ihnen sagen und sich über die Rücksicht freuen.

… Travestie ist eine Kunstform auf der Bühne. Sie ist ein Spiel mit Geschlechterrollen und hat nichts mit Transsexus oder Transgender zu tun! Ein transsexus/transgender Mensch kann sich sein Geschlecht nicht „abschminken“, er verkleidet sich auch nicht. Er/sie ist der Mensch, der er/sie ist.

 


*Zu Projekt 100% Mensch (http://www.100mensch.de):
Das gemeinnützige Projekt 100% MENSCH fördert und fordert die komplette rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung und Akzeptanz der sexuellen Orientierungen und Geschlechter (LSBTTIQA). Verwirklicht wird dieses Ziel durch Aufnahme und Aufführung von Charity-Songs, die Ausrichtung von kulturellen Veranstaltungen, die Ausgabe von Publikationen sowie aktiver Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit.

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