Liebe Interessierte,

erst seit einigen Jahren rücken die Schicksale von schwulen, lesbischen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus langsam ins öffentliche Bewusstsein.

Durch das kontinuierliche, langjährige ehrenamtliche Engagement von interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie beharrlich forschenden Historikerinnen und Historikern konnten die Lebensgeschichten ganz verschiedener Menschen aus Baden-Württemberg zusammengetragen werden. Wir erfahren, dass Ausgrenzung und Kriminalisierung für sie nicht selten mit der gezielten Tötung endeten. Das ist nur schwer zu ertragen. Über dieses im Namen des Staates begangene Unrecht dürfen wir nicht schweigen. Daher hat die Landesregierung eine systematische Aufklärungsarbeit beschlossen.

Mit der Website „Der Liebe wegen“ wurde mithilfe zahlreicher Engagierter eine Plattform geschaffen, die den Opfern ein Gesicht und eine Stimme gibt. Die Seite stellt schonungslos dar, was mit den Menschen geschah, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihrer geschlechtlichen Identität nicht in das nationalsozialistische Weltbild passten. Sie ist damit ein wertvoller Baustein bei der umfassenden Aufarbeitung dieser dunklen Vergangenheit. „Der Liebe wegen“ dient ebenso dem Gedenken an die Opfer wie auch als Mahnung gegen Hass, Menschenfeindlichkeit und Homo- und Transphobie. Dafür bin ich in diesen Zeiten besonders dankbar.

Ihr


Manne Lucha
Minister für Soziales und Integration
(Januar 2017)



“Endlich den Mut…”

– Warum es so wichtig ist, unsere damals verfolgten homosexuellen Brüder und Schwestern nicht zu vergessen

 
Dr. Lutz van Dijk lebt in Kapstadt und Amsterdam und ist Historiker und Autor, u.a. von “Einsam war ich nie” – Schwule unter dem Hakenkreuz 1933-1945 (Berlin, 3. Auflage 2013) und “Endlich den Mut…” – Briefe von Stefan T. Konsinski 1925-2003 (Berlin 2015). Der ausführliche Reisebericht nach Auschwitz vom Juli 2016 ist u.a. nachzulesen in den Mitteilungen der Magnus Hirschfeld Gesellschaft, Berlin / Dezember 2016.

Es gibt noch immer Menschen, die finden, dass die schwierige Vergangenheit  Deutschlands endlich ruhen muss – und vor allem: Dass bestimmte Gruppen von ehemals Verfolgten bis heute keine Anerkennung, ja nicht einmal Wahrnehmung verdienen.

Ihr wertvolles Homepage Projekt “Der Lieben wegen” mit dem Fokus auf regionalen Bedingungen im Südwesten Deutschlands zeigt eindringlich, wie wenig wir tatsächlich wissen über jene Menschen mit nicht heteronormativer sexueller Orientierung, die nur wegen ihres Andersseins verfolg wurden: Männer und Frauen mit anderer sexueller Orientierung als die Mehrheit, die gleichzeitig auch immer Söhne und Töchter, Schwestern oder Brüder, zuweilen auch Mütter oder Vater waren.

Und Sie haben mit “Der Liebe wegen” den genau richtigen Titel gewählt: Niemals ging (und geht) es bei Fragen sexueller Orientierung allein um Sexualität. Es geht immer auch um Achtung und Würde – und am Ende auch, wie menschliche Liebe unter Bedingungen von Missachtung, Diskriminierung und Schlimmerem realisiert werden kann.

1989 – vor nunmehr 28 Jahren – fuhr ich mit einer Gruppe schwuler Männer aus Norddeutschland sowie einem homosexuellen Auschwitz-Überlebenden, damals 77 Jahre alt, zum ersten Mal in die Gedenkstätte Auschwitz.
Wir waren die erste offen schwule Gruppe, die das ehemalige Konzentrationslager besuchte. Wir waren auch die ersten, die im damals noch nicht digitalisierten Archiv auf Spurensuche nach den ehemals dort internierten Gefangenen mit dem Rosa Winkel gingen, jenen, die nach dem Paragraphen 175 wegen einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen Erwachsenen verurteilt und nach Abbüssung ihrer Zuchthausstrafe in Schutzhaft nach Auschwitz deportiert worden waren. Die meisten kamen aufgrund der unerträglichen Lagerbedingungen schon nach kurzer Zeit dort um.

Am Ende unserer Woche Archivarbeit legten wir Blumen mit einer Gedenkschleife in drei Sprachen an einem zentralen Platz mit der Aufschrift nieder: “Für unserer schwulen Brüder und Väter”.  Als wir wenig später vor der Abreise mit dem Bus dort noch einmal hielten, hatte jemand die Blumen und die Schleife bereits in einen nahen Müllcontainer geworfen.

In der staatlichen Gedenkstätte Auschwitz, die jedes Jahr von mehr als einer Million meist junger Menschen aus aller Welt besucht wird,  erinnert bis heute nichts an die  Schicksale jener vergessenen Häftlinge mit dem “Rosa Winkel”.

Erst jetzt hat sich endlich eine Initiative gefunden, die dies ändern möchte und derzeit ein Konzept für so ein Mahmal erarbeitet und die dafür notwendige Unterstützung zu gewinnen sucht. Wir können viel von Euch lernen.

Es ist unendlich wichtig für die Menschlichkeit von Gesellschaften, von ehemaligem Unrecht zu lernen, um neue Unmenschlichkeiten zu verhindern.

Dr Lutz van Dijk
Kapstadt im Januar 2017


       

Allzu lange sind schwules, lesbisches, trans und queeres Begehren, Lieben und Leben von der Mehrheitsgesellschaft unterdrückt und als minderwertig diskriminiert und verfolgt worden. Gleichgeschlechtlichkeit war kein Thema der akademischen Forschung und Wissenschaft, Unkenntnis war entsprechend weit verbreitet. Erst 1994 wurde § 175 des Strafgesetzbuchs endgültig gestrichen. Der bestrafte zwar „nur“ mannmännliche homosexuelle Handlungen, aber das politische und gesellschaftliche Klima, dessen Ausdruck er war, engte über ein Jahrhundert auch die Lebensmöglichkeiten Frauen liebender Frauen und anderer nicht heterosexuell orientierten Menschen empfindlich ein.

Die Homepage „Der Liebe wegen. Von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden“ will einen Beitrag dazu liefern, dass „anderes“ Leben und Lieben endlich als gleichwertig und gleichberechtigt angesehen werden. Menschen, deren Liebe ihren Namen nicht nennen durfte (Oscar Wilde), sollen nicht mehr der Verachtung, dem Vergessen und dem Verschweigen ausgeliefert sein.

Als Fachverband begrüßen wir jede Initiative, die ähnliche Ziele anstrebt. Wir wünschen den Machern der Homepage viel Erfolg, den Besucherinnen und Besuchern der Homepage die gewünschten Informationen und Erkenntnisse und uns allen ein Leben, das durch weniger Diskriminierung und durch mehr gegenseitige Anerkennung und Achtung gekennzeichnet ist.

Herbert Potthoff
Für den Vorstand des Fachverbands Homosexualität und Geschichte – FHG e. V.
(Januar 2017)

Der Fachverband Homosexualität und Geschichte e.V. (FHG) ist seit 20 Jahren ein Zusammenschluss von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich der Erforschung und Dokumentation gleichgeschlechtlicher Geschichte widmen. Ziel des Verbandes ist es, die einzelnen Forscherinnen und Forscher, die verschiedenen lokalen Initiativen und ihre Aktivitäten besser miteinander bekannt zu machen und den überregionalen Wissens- und Erfahrungsaustausch anzuregen. Das geschieht durch Herausgabe einer Fachzeitschrift (Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten) und gemeinsame Jahrestagungen.


     
Nach erfolgreichem Kampf vieler engagierter, in der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. zusammengeschlossener Organisationen und Einzelpersonen um den Erhalt des Gebäudes der ehemaligen Gestapozentrale von Württemberg und Hohenzollern als Lern- und Gedenkort unterzeichneten Harald Stingele und Elke Banabak für die Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e. V. die Bürgerbeteiligungs- und Nutzungsvereinbarung am 15. Januar 2016.

Liebe Besucher*innen der Website „Der Liebe wegen“,

wir freuen uns sehr, dass nach jahrelanger Vorarbeit das hier versammelte Wissen über die Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben und Schwulen im Südwesten erschlossen und so für die öffentliche Diskussion verfügbar wird.

Der Verein Weissenburg e.V., einer der Initiatoren dieses Projekts, war von Anfang an ein tragendes Mitglied unseres Bündnisses, das sich erfolgreich gegen den Abriss des „Hotel Silber“ gewehrt hat und sich für die Umgestaltung dieses zentralen Stuttgarter Täterorts in einen Lern- und Gedenkort engagiert. Im Kampf um den Erhalt des Gebäudes wurde bewusst, dass dieses Haus auch für die Ausgrenzung und Verfolgung schwuler Männer steht, und zwar weit über 1945 hinaus. Es ist inzwischen unstrittig, dass dies auch Thema in der zukünftigen Dauerausstellung werden soll und dass hier erstmals in Baden-Württemberg ein Ort entsteht, der auch die Verfolgung Homosexueller in den Blick rückt. Zahlreiche Veranstaltungen unserer Initiative in den vergangenen Jahren haben hierfür den Boden bereitet. Die inzwischen neunjährige Geschichte der Auseinandersetzung ums Hotel Silber hat bei den Stuttgarter Akteur*innen der Erinnerungsarbeit den Blick geweitet, gegenseitiges Verständnis gefördert und neue Formen des Zusammenwirkens initiiert.

Diese Website steht auch exemplarisch für ein zentrales Anliegen unserer Initiative: was kann bürgerschaftliche Forschung leisten? Welche Anerkennung erfährt sie? Wir hoffen sehr, dass die hier präsentierte Arbeit der Idee einer Forschungsstelle im Hotel Silber neuen Auftrieb gibt, einer Stelle, die die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlich Engagierten und staatlichen Institutionen fördert.

Diese Website ist eine wichtige Stimme im Widerstand gegen Geschichtsvergessenheit. In der Auseinandersetzung ums Hotel Silber haben wir erfahren, dass die Mechanismen der Verdrängung, des Verschweigens und der Umdeutung bis in die Gegenwart hinein wirken und dass hiermit Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung verharmlosend legitimiert werden sollen. Die Website setzt schon um, was Aufgabe des zukünftigen Lern- und Gedenkortes im Hotel Silber sein wird, dass hier mitten in Stuttgart ein Ort entsteht, an dem „alle Formen der Ausgrenzung, Diskriminierung und Benachteiligung aufgrund von Abstammung, Herkunft, politischer oder religiöser Anschauung, sexueller Orientierung oder gesundheitlicher Verfassung als solche erkannt werden und ihnen couragiert entgegengearbeitet wird“; und dass es Ziel dieser Einrichtung ist, „diesen Ort des Terrors in einen Ort des Bekenntnisses zu demokratischen Grundrechten und zu gelebter Akzeptanz menschlicher Vielfalt zu wandeln.“ (Aus der Präambel zu den Hotel-Silber-Verträgen). Eine Aufgabe dringender denn je.

Euch, den Verfassern der Website, wünschen wir viele aufmerksame Leser*innen und Ihnen, den Leser*innen, wünschen wir viele Aha-Erlebnisse . . .
Gerne hat unsere Initiative diese vorbildliche Arbeit mit einer Spende unterstützt.

Harald Stingele und Elke Banabak
Vorsitzende der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V.
(Januar 2017)


 


Dr. Martin Ulmer
Mitglied des Sprecherrats der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg

In langjähriger Recherchearbeit haben die beiden Initiativen, das schwul-lesbisches Zentrum Weißenburg e.V. in Stuttgart und die Rosa Hilfe Freiburg, hochinteressante und beunruhigende Ergebnisse zusammengetragen und in einer neuen Homepage gebündelt.

Homo- und transsexuelle Menschen waren in der deutschen Geschichte und auch im Südwesten anhaltenden Diskriminierungen ausgesetzt. Besonders durch den Nationalsozialismus erfuhren Schwule und Lesben massive Verfolgung bis hin zum Tod Einzelner, was die über 250 dokumentierten Biografien eindrucksvoll zeigen. Doch die Diskriminierung war nach 1945 nicht zu Ende und in Baden-Württemberg gab es überdurchschnittlich viele Fälle von Anzeigen und Anklagen mit insgesamt 20.000 Ermittlungsverfahren. Teilweise werden homo- und transsexuelle Menschen heute noch angefeindet, wenn auch eine strafrechtliche Diskriminierung seit 1969 bzw. endgültig seit 1994 abgeschafft wurde. Die bunderepublikanische Demokratie hat lange gebraucht, bis eine Gleichstellung von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten möglich wurde. Dennoch kursieren in der heutigen Gesellschaft, in den sozialen Medien wie auch in einzelnen Parteien und Verbänden weiter Homo- und Transphobien, die permanente Auseinandersetzungen mit solchen Vorurteilstrukturen erfordern.

Die auf der Webseite „Der Liebe wegen“ präsentierten Forschungsergebnisse und Texte verweisen auf die beachtlichen Leistungen von Bürgerinitiativen, die solche Geschichten der Verfolgung einer in der akademischen Geschichtsforschung lange wenig beachteten Minderheit ans Tageslicht beförderten. Deshalb möchte ich mich im Namen des Sprecherrats der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg bei den Vertreter*innen der Weißenburg und Rosa Hilfe sowie den Autor*innen herzlich bedanken.

Mit der vielfältigen und informativen Webseite ist der LSBTTIQA-Bewegung ein Meisterstück der Aufklärung gelungen. Die Webseite spricht die Netzöffentlichkeit und insbesondere auch junge Menschen an, vermittelt Ihnen ein in die Tiefe gehendes historisch weitgehend unbekanntes Terrain und schlägt zugleich den Bogen zur Gegenwart, indem sie auf aktuelle homo- und transphobe Feindbilder hinweist. Die Webseite ist eine vorbildliche Form des Erinnerns an verfolgte Minderheiten in der deutschen Geschichte und sie ist zugleich ein Beitrag gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie sie sich in Homo- und Transphobie manifestiert. Es sind ihr hohe Zugriffszahlen und den Nutzer*innen zahlreiche Anregungen sowie produktive Auseinandersetzungen mit der Thematik zu wünschen.

Dr. Martin Ulmer
Mitglied des Sprecherrats der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen in Baden-Württemberg (LAGG)
(Februar 2017)


 

Der Liebe wegen…
… und für eine Gesellschaft der Vielfalt

Auch im deutschen Südwesten wurden Menschen lange Zeit wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer geschlechtlichen Identität diskriminiert. Wer kennt ihre Schicksale?

Diese Homepage will an Menschen erinnern, die Stigmatisierung, Ausgrenzung und Verfolgung in der NS-Diktatur erleiden mussten; an Menschen, die ermordet wurden, und auch an jene, die mit dem Leben davon kamen; an Menschen, die ihre Persönlichkeit deshalb nicht entfalten durften, weil sie den heteronormativen Vorstellungen der Nationalsozialisten nicht entsprachen oder zu entsprechen schienen. Mehr noch, diese Homepage will an Menschen erinnern, denen nach dem Ende der NS-Diktatur die Anerkennung als Opfer verweigert worden ist.

Lange Zeit interessierte sich auch die Geschichtswissenschaft nicht für die Schicksale dieser Verfolgten. Stattdessen haben freie Historiker*innen, ehrenamtliche Forscher*innen und aktive Bürgerinnen und Bürger wichtige Grundlagen in der Aufarbeitung gelegt. Diese Homepage baut auf den Ergebnissen solchen Engagements auf. Die Gedenkkarte mit Biografien von drei Frauen und 251 Männern, die mit dem NS-Regime wegen ihrer sexuellen Orientierung in Konflikt gerieten, zeigt dies eindrucksvoll. Zugleich erweitert die Website dieses Informationsangebot, indem sie wissenschaftlich aufbereitete Einzelfälle für die Bildungsarbeit präsentiert. Darüber hinaus lädt die Website ein zu weiteren Recherchen: Ein Archivleitfaden gibt Interessierten erste Anhaltspunkte, wie sich den Verfolgungsgeschichten nachspüren lässt. Kurz zusammengefasst ließe sich auch sagen: alles  Aufklärungsarbeit in einer Gesellschaft der Vielfalt.

Wir erinnern an die Opfer, damit sie im Gedenken noch einmal eine Stimme bekommen, damit ihre Geschichte erzählt wird. Wir tun dies auch um unserer selbst willen, um unsere eigene Menschlichkeit zu bewahren – in einer Gesellschaft, deren Ziel es ist,  das Lebensrecht und die Menschenrechte eines jeden Einzelnen zu respektieren und zu schützen. Diese Homepage leistet dazu einen wichtigen Beitrag. So wie sie selbst von der Verbindung ehrenamtlichen Engagements, wissenschaftlicher Recherche, bürgerschaftlichen Interesses und nicht zuletzt auch staatlicher Förderung lebt, so führt sie zugleich diese unterschiedlichen Akteure zusammen – wohlwissend: Eine Gesellschaft der Vielfalt lässt sich nur gemeinsam leben.

Sibylle Thelen
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg
Fachbereich Gedenkstättenarbeit
(Januar 2017)


Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar ist in diesem Jahr mit der Webseite „Der Liebe wegen“ ein neuer Ort aufzufinden, an dem jenen gedacht wird, die verfolgt wurden, weil sie gleichgeschlechtlich liebten oder den Nazi-Mustern von „Frau / Mann“ nicht entsprechen konnten oder wollten. Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg freut sich sehr, dass damit jetzt auch endlich ein Platz für Forschung und Erinnerung außerhalb der universitären Strukturen geschaffen wurde und die seit Jahrzehnten bestehenden Bemühungen einzelner Aktiver der LSBTTIQ Community zugänglich wird für alle.

Mit großer Anerkennung begrüßt das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg den Einsatz und das Engagement, Leben und Schicksale von Menschen sichtbar zu machen, die der Liebe wegen verfolgt wurden. Die Vielzahl dokumentierter Verfolgungen in der Gedenkkarte zeigt deutlich, dass es keine davon unberührten Regionen in Baden-Württemberg gab. Gleichzeitig lässt die Übersicht ahnen, wie viele Geschichten noch aufgeschrieben werden müssen, um die Vielfalt auch unserer Großelterngenerationen sehen zu können. Besonders hervorzuheben ist der Versuch des Projekts, Verfolgungsgeschichte über Strafnormen hinaus abzubilden und die historische Ungleichbehandlung von Frauen und Männern nicht zu wiederholen. Mit den Kategorien lesbisch, schwul, Exkurs Geschlecht wird die Unterschiedlichkeit von Verfolgungsgeschichte in den unterschiedlichen Lebenswelten sichtbar und damit erzählbar.

Die präsentierten Ergebnisse weisen darauf hin,

  • dass die Erforschung der Geschichte lesbischer Frauen weitgespannte Ansätze erfordert – und dafür Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen;
  • dass die Fortführung der Spurensuche zur Verfolgung schwuler Männer gesichert werden muss – und dafür Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen;
  • dass Forschung zur Geschichte von Geschlechtsrealitäten, die jenseits der verengten Zweiheit von Frau / Mann gelebt wurden, Anfänge hat – und für die notwendigen Fortentwicklungen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen.

Die landesweite Perspektive und die Berücksichtigung beider Vielfaltsdimensionen, Geschlecht und sexuelle Orientierung, entsprechen dem Selbstverständnis des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg. Die Zusammenarbeit von Weissenburg e.V. und Rosa Hilfe Freiburg e.V. in diesem Projekt ist darüber hinaus ein weiterer Beleg dafür, welche zentrale Rolle Einzelpersonen und Initiativen aus den betroffenen Communities bei der historischen Aufarbeitung dieser Thematik einnehmen.

Wir wünschen dem Internetprojekt „der Liebe wegen…“ große öffentliche Wahrnehmung, viele produktive Anregungen und die notwendige finanzielle Unterstützung, um weiter Geschichte(n) für uns zu retten. Als Netzwerk werden wir uns zusammen mit euch und vielen anderen weiter dafür einsetzen, die Chancen aktiv zu nutzen, die der „Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte“ uns Baden-Württemberger_innen verspricht.

Der Sprechendenrat des Netzwerks LSBTTIQ Baden-Württemberg
– Mathias Falk, Isabelle Hlawatsch, Angela Jäger, Tamara Kailuweit –
in Vertretung von über 90 LSBTTIQ-Organisationen im Land
(Januar 2017)

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.


   
PD Dr. Martin Cüppers, Wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart

Liebe Leserinnen und Leser,

mit ihrem Webauftritt „Der Liebe wegen… – von Menschen im deutschen Südwesten, die wegen ihrer Liebe und Sexualität ausgegrenzt und verfolgt wurden“ präsentieren die Weissenburg e.V. und die Rosa Hilfe Freiburg e.V. einen bedeutenden Beitrag zur Sichtbarmachung gleichgeschlechtlichen Lebens und dessen Verfolgung im deutschen Südwesten. Für die Zeit des Nationalsozialismus leisten die Initiator_innen öffentlich wahrnehmbar sowohl Pionierarbeit bei der historischen Dokumentation von sexueller Vielfalt als auch bei der Darstellung repressiver staatlicher und gesellschaftlicher Reaktionsmuster. Das Projekt ist ein weiteres Beispiel dafür, welche zentrale Rolle Einzelpersonen und Initiativen aus den betroffenen Communities bei der historischen Aufarbeitung dieser Thematik einnehmen.

Für das an der Universität Stuttgart angesiedelte Forschungsprojekt „LSBTTIQ in Baden und Württemberg – Lebenswelten, Repression und Verfolgung im Nationalsozialismus und der Bundesrepublik Deutschland“ sind die auf der Homepage „der Liebe wegen…“ zugänglich gemachten Informationen eine willkommene Ergänzung und Bereicherung. Beide Projektansätze nutzen auf ihre jeweils genuine Weise die lange blockierte, sich in Baden-Württemberg momentan aber bietende Chance, die Vielfalt sexueller Orientierungen sowie dagegen in Stellung gebrachte Verfolgungs- und Ausgrenzungsmechanismen zu dokumentieren und zu analysieren. Die oft leidvollen Erfahrungen der Betroffenen sollten dabei im Vordergrund stehen. Auch damit kann gegenwärtiger und zukünftiger Stigmatisierung selbst gewählter Formen von Liebe oder sexueller Orientierung begegnet werden.

Ich wünsche dem Internetprojekt „der Liebe wegen…“ größtmögliche öffentliche Wahrnehmung sowie vielfältigen positiven Zuspruch.

Martin Cüppers
Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart
(Januar 2017)

 

 


 

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