* 10.6.1881 Alpirsbach

† 9.2.1945 im KZ Dachau

guenner-stolperstein

Karl Hermann Günner wurde am 10. Juni 1881 als unehelicher Sohn der Köchin Sofia Günner in Offenburg geboren. Er war katholisch, zweimal verheiratet, hatte aber keine Kinder. Günner besuchte in Offenburg die Volks- und Bürgerschule und erlernte anschließend 3 Jahre lang den Kaufmannsberuf. Danach arbeitete er 5 Jahre in Neustadt/Schw. und in Villingen/Schw., bevor er 1904 in der Spitalstrasse 7 in seiner Heimatstadt eine Buch-, Papier- und Schreibwarenhandlung eröffnete. 1915 bis 1918 leistete er Wehrdienst und wurde als Gefreiter entlassen. Er errichtete in der Hauptstrasse 87 (in der NS-Zeit Adolf-Hitler-Strasse 87) einen Neubau und verlegte sein Geschäft und Wohnsitz am 01. April 1929 dorthin.

Günner wurde mehrfach gerichtlich bestraft: 1926 wegen widernatürlicher Unzucht zu 2 Monaten und 2 Wochen Gefängnis, 1933 wegen Betrugs zu 6 Monaten und am 9. März 1939 wegen Sittlichkeitsverbrechen (homosexuelle Handlungen) zu 1 Jahr. Ende August wurde er „aus allgemeinen Gründen“ aus dem Gefängnis Freiburg beurlaubt. Die Reststrafe verbüßte er von Februar bis August 1940 im Strafgefängnis Rottenburg. Während seines „Urlaubs“ von September 1939 bis Januar 1940 hörte er 4 Monate lang regelmäßig die Nachrichten des deutschsprachigen Senders aus Strassburg, was strengstens verboten war und gewöhnlich mit Zuchthaus bestraft wurde. Er hörte den Sender absichtlich, obwohl seine Frau ihn mehrfach gewarnt hatte. Mitbewohner hatten das bemerkt und denunzierten ihn. Am 29. März 1940 wurde er vom Sondergericht Offenburg wegen Verbrechens gegen § 1 der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. September 1939 zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zwei Jahre verurteilt. Das Rundfunkgerät wurde eingezogen. Günner und seine Frau reichten ein Gnadengesuch ein, es wurde aber abgelehnt. Günner verbüßte seine Strafe im Zuchthaus Bruchsal. Vom April bis Juli 1941 wurde er mit Strafunterbrechung beurlaubt. Er wurde am 24. Dezember 1941 um 7 Uhr aus der Haft entlassen.

Am 8. Januar 1943 wurde Günner erneut wegen § 175 vom Landgericht Offenburg zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und Ehrverlust auf drei Jahre verurteilt. Aus dem Urteil: Bei der Strafzumessung wurden die 2 Vorstrafen des Angeklagten wegen Sittlichkeitsdelikten, deren letzte im Jahre 1939 1 Jahr Gefängnis betrug, strafschärfend berücksichtigt, um den Angeklagten von der weiteren Wiederholung ähnlicher Taten abzuschrecken. Dem zum 3. Mal rückfälligen Angeklagten, der eine Gefahr für die Jugend bedeutet, waren mildernde Umstände nicht mehr zuzubilligen. Er legte Revision ein, die wurde verworfen. Seine Frau reichte ein Gnadengesuch ein. Es wurde aber abgelehnt. Günner verbüßte seine Strafe im Zuchthaus Ensisheim im Elsass. Auch dort wurde er im April 1943 kurz beurlaubt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er am 05. Februar 1944 aus dem Zuchthaus Ensisheim entlassen und in das Konzentrationslager Natzweiler überführt.

Günner kam am 9. Februar 1944 ins Konzentrationslager Natzweiler, wo er unter der Bezeichnung homosexuell geführt wurde und die Häftlingsnummer 7291 erhielt. Am 4. September 1944 wurde er ins KZ Dachau verlegt, wo er die Haftnummer 99605 erhielt. Am 8. Februar 1945 kam er ins Krankenrevier des KZ, wo er am nächsten Tag im Alter von 63 Jahren starb. Die Todesmeldung gibt als Grund Versagen von Herz und Kreislauf bei Bauchspeicheldrüsenblutung an. Ob das stimmt ist ungewiss.

Mit einem Schreiben des Chefs der deutschen Justizverwaltung in der französischen Zone Baden vom 27. März 1946 wurde gemäß der allgemeinen Anordnung der Militärregierung in Baden die Verurteilung vom 29. März 1940 getilgt.

Vor seinem letzten Wohnsitz in Offenburg liegt heute zur Erinnerung an ihn ein Stolperstein.

Es existiert noch eine Personenbeschreibung von ihm bei seiner Einlieferung ins KZ Natzweiler: Größe 168 cm, Einlieferungsgewicht 56 kg. Er war Brillenträger, hatte ein Oberkiefergebiss, sein Allgemeinzustand war schlecht. Er hatte ein Ödem, links einen Leistenbruch und Fußprobleme. Er war nur beschränkt einsatzfähig.

(Stadtarchiv Offenburg; StAF Bestand A 43/1, Nr. 889, 890, 891, 953, 954; Bundesarchiv (BArch) Berlin Bestand R/3001, Signatur 12 25 97; Internationaler Suchdienst, Bad Arolsen; Archiv der Gedenkstätte Dachau.)

© Text und Recherche: William Schaefer


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Über Günner ist vom Arzt und SS-Sturmbannführer des KZ Dachau eine Karteikarte „Abgang durch Tod!“ vom 9. Februar 1945 überliefert, aus der die KZ einweisende Dienststelle, die „Kripo Karlsruhe“, hervorgeht (siehe 1.1.6.2 / Doc-ID 10082188, ITS Digital Archive / Bad Arolsen – Anm. Biggel/Bogen).


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Offenburg, Hauptstrasse 87 (in der NS-Zeit Adolf-Hitler-Strasse 87)


Täterorte in Baden-Württemberg:
Gefängnis Freiburg
Strafgefängnis Rottenburg
Sondergericht und Landgericht Offenburg
Zuchthaus Bruchsal

Weitere Täterorte:
Zuchthaus Ensisheim
KZ Natzweiler
KZ Dachau