* 1916 Blexen bei Oldenburg

Hans F. wurde 1916 in Blexen bei Oldenburg geboren und evangelisch getauft. Der ledige gelernte Schlachter wurde im Krieg eingezogen und bei der Marine Obergefreiter.

Das Landgericht Oldenburg hatte ihn 1938 wegen „widernatürlicher Unzucht“ in 13 Fällen und Verführung eines Minderjährigen zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, und er hatte die Strafe voll verbüßt. Trotz dieses Urteils zog man ihn zur Marine ein.

Das Gericht des Admirals der Atlantikküste, Zweigstelle Bordeaux, fällte am 29. Januar 1944 ein Feldurteil gegen den 27-Jährigen. „Der Angeklagte wird wegen vollendeten Verbrechens der widernatürlichen Unzucht mit einem Mann unter 21 Jahren (§ 175a) in 2 Fällen und wegen versuchten Verbrechens nach § 175a in 2 Fällen […] zu einer Gesamtstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus und zum Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 3 Jahren verurteilt.“ Eine versuchte Tat wurde bei Verbrechen genauso geahndet wie die vollendete Straftat.

Unter anderem führte das Gericht folgende Gründe an: „Der Angeklagte ist ein Schädling und eine Gefahr für die Truppe, den sowohl als Sühne für sein verbrecherisches Treiben als auch zur Abschreckung die volle Schwere des Gesetzes treffen muss.“ Das Gericht stufte ihn als „ausgesprochenen Hangtäter“ ein und wünschte, dass er zur Abschreckung in das Strafgefangenenlager Esterwegen verbracht würde, wie viele andere Soldaten auch. Mit diesem Urteil war er aus der Wehrmacht ausgestoßen und die zivile Staatsanwaltschaft Freiburg i. B. wurde für seine Strafvollstreckung zuständig. Man transportierte ihn zur Durchgangshaft nach Freiburg, stellte dort bei der Aufnahmeuntersuchung fest, dass er „moor-außenarbeitsfähig“ sei und ließ ihn vermutlich im November 1944 mit dem Ziel Emslandlager Esterwegen zunächst in die Haftanstalt Lingen an der Ems transportieren.

Hans F. überlebte den NS-Terror. Die zum Totalverbot 1935 verschärften NS-Fassungen der §§ 175, 175a galten ja in der Bundesrepublik weiter bis 1969, also hätte er auch wie viele andere homosexuelle Männer weiter in Haft bleiben müssen. Als sich die zuständige Staatsanwaltschaft Freiburg um den Verbleib der Häftlinge kümmerte, kam man dort im November 1946 zu folgendem Beschluss: „Die weitere Strafvollstreckung gegen den Verurteilten Hans F. unterbleibt, weil der Verurteilte bei der Besetzung Deutschlands im Jahre 1945 auf freien Fuß gelangt ist und nach einer Verfügung der britischen Militärregierung vom 23.08.46 in solcher Weise freigekommene Gefangene so zu behandeln sind, als ob sie ihre Strafe voll verbüßt hätten. Der Verurteilte ist in der britischen Zone beheimatet.“ Hans F. hatte damit noch Glück gehabt, die Staatsanwaltschaft hingegen dürfte dies als Unrecht empfunden haben.

(Ich danke William Schäfer, Denzlingen, der mir die Informationen zukommen ließ: Staatsarchiv Freiburg i. B., Aktenzeichen F 176/3 Nr. 47 2AR 88/44.)

© Text und Recherche Rainer Hoffschildt


pin3d428b  Der Pin auf der Gedenkkarte zeigt Freiburg allgemein


Täterort in Baden-Württemberg:
Staatsanwaltschaft und Haftanstalt Freiburg

Weitere Täterorte:
Landgericht Oldenburg
Emslandlager Esterwegen
Haftanstalt Lingen