* 23.3.1874 Danzig

† 8.8.1964 Heidelberg

Chemikerin und Sozialwissenschaftlerin

Marie Baum wurde in Danzig geboren. Sie entstammte einem aufgeschlossenen, an humanistischen Idealen orientierten großbürgerlichen Elternhaus. Sie konnte das Realgymnasium zur Vorbereitung auf das Abitur besuchen und legte 1893 als Externe an einem Jungengymnasium die Abitursprüfung ab. Danach studierte sie in Zürich Chemie – in Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt Frauen noch nicht zum Studium zugelassen. 1899 beendete sie Ihr Studium mit der Promotion. Schon während des Studiums erhielt sie eine Anstellung als Laboratoriumsassistentin bei Prof. Eugen Bamberger, ihrem Doktorvater. Sie wurde aufgrund ihrer Leistungen einem männlichen Konkurrenten, der auch noch “Schweizerbürger” gewesen war, vorgezogen.

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Marie Baum, Chemikerin und Sozialwissenschaftlerin
(Bildquelle: Stadtarchiv Heidelberg BILDA 1175, Foto Robert Lebeck)

Nach ihrer Promotion arbeitete sie zunächst als Chemikerin bei AGFA in Berlin. Danach wurde sie badische Fabrikinspektorin. Sie erkundete in dieser Funktion die Arbeitsbedingungen von Frauen und Kindern und kam erstmals mit dem Elend von Frauen- und Kinderarbeit in Berührung. Diese Stellung quittierte sie, nachdem ihr von einem neuen Vorgesetzten die Vertretungsbefugnis entzogen wurde. Danach übernahm sie die Geschäftsführung des Vereins Säuglingsfürsorge in Düsseldorf, ab Herbst 1906 leitete sie gemeinsam mit Gertrud Bäumer die soziale Frauenschule in Hamburg.

1918 wurde Marie Baum für die Deutsche Demokratische Partei in die Nationalversammlung gewählt. Sie war damit “die Mutter der Weimarer Reichsverfassung” (Scheidle). Ab 1919 war sie im badischen Arbeitsministerium angestellt, wo sie das Referat Wohlfahrtspflege leitete.

1928 wurde sie als Hochschuldozentin an die Universität Heidelberg berufen – mit einer Ausnahmegenehmigung, weil sie nicht habilitiert war. Sie, die “eigentlich” Chemikerin war, erhielt einen Lehrauftrag für Soziale Fürsorge und Wohlfahrtspflege. 1933 wurde ihr dieser Lehrauftrag aus rassistischen Gründen entzogen, denn ihre Großmutter mütterlicherseits war Jüdin gewesen. Baums weitere Berufskarriere wurde so beendet, Baum selbst in ihrer materiellen Existenz bedroht. In der Zeit des Nationalsozialismus engagierte sie sich für Verfolgte des Regimes, arbeitete mit der Berliner “Judenhilfe” zusammen, mußte Verhöre und Durchsuchungen ertragen.

Im September 1945 erhielt sie ihren Lehrauftrag am Institut für Staats- und Sozialwissenschaften zurück. Ihrer Forderung, “dass ihr Gehalt eine Form der Wiedergutmachung berücksichtigen müsse” (S. 36), wurde stattgegeben.

Während ihres Studiums in Zürich lernte Marie Baum Ricarda Huch kennen. Eine lebenslange Freundschaft oder Beziehung entwickelte sich daraus. Scheidle bezeichnet Huch als Baums “Lebensgefährtin”. Es ist allerdings nicht abschließend geklärt, welcher Art die Beziehung war. (1)

(1) Vgl. Ilona Scheidle, Eine Folge der gegen Frauen verhängten Schranken. Marie Baum (1874 – 1964). In: Markus Bitterolf / Oliver Schlaudt / Stefan Schöbel: Intellektuelle in Heidelberg 1910 – 1933. Heidelberg 2014, S. 27 – 45.

© Text und Recherche: Claudia Weinschenk


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